Filmblog // 24. Japanisches Filmfestival Nippon Connection: Ein Blick ins Programm

Nippon Connection ist weltweit das größte Festival für den japanischen Film. Jedes Jahr im Frühsommer präsentiert das Festival in Frankfurt aktuelle Produktionen aber auch Klassiker des japanischen Kinos. Die 24. Ausgabe bietet von 28. Mai bis 2. Juni 2024 ein vielfältiges Programm. Der Themenschwerpunkt des Filmprogramms der diesjährigen Ausgabe ist „Crossing Borders“. Die Retrospektive des Festivals, die jedes Jahr im Kino des DFF läuft, ist dieses Jahr Teil des Themenschwerpunkts und rückt den japanischen Film Noir in den Fokus.

Die DFF-Redaktion hat den Eröffnungsfilm 18×2 BEYOND YOUTHFUL DAYS, den Dokumentarfilm TAKANO TOFU, den Thriller ICHIKO und das Drama PUSHPAUSE bereits vorab gesehen.

18×2 BEYOND YOUTHFUL DAYS (JP/TW 2024. R: Michihito Fujii)

Nachdem der taiwanesische Videospielentwickler Jimmy von seiner von ihm gegründeten Firma gefeuert wird, kehrt er in seine Heimatstadt Tainan zurück. In seinem alten Zimmer findet er eine Postkarte, die er vor 18 Jahren von seiner japanischen Freundin Ami erhalten hat. Diese weckt Erinnerungen an eine Sommer-Romanze, die ihn dazu bewegen, sich auf eine Reise nach Japan zu begeben.

Der taiwanesisch-japanische Liebesfilm passt perfekt zum diesjährigen Themenschwerpunkt des Festivals “Crossing Borders”: 18×2 BEYOND YOUTHFUL DAYS erzählt eine mehrsprachige Liebesgeschichte zwischen Taiwan und Japan, die auch die Grenzen der Zeit überwindet. Die melancholischen Klavierklänge, die Jimmys Reise in seine Vergangenheit begleiten, setzen gleich zu Beginn den Ton für die Geschichte: Es wird romantisch (manche würden sagen: kitschig). Während der Sommer in seiner Jugend, an den er sich in Rückblenden erinnert, in warmen Farben gezeichnet wird, sind die Bilder der Gegenwart kühl und entsättigt. So entfaltet sich die Geschichte einer Sommerliebe, die, 18 Jahre später, Jimmy nochmal an einem Wendepunkt in seinem Leben einholt.

18×2 BEYOND YOUTHFUL DAYS, der seine Deutschlandpremiere beim 24. Nippon Connection feiert, eröffnet am Dienstagabend das Festival. Ein rührendes Liebesdrama als Eröffnungsfilm: eine interessante Wahl – die jedoch auch zeigt, dass Nippon Connection kein Festival für Filmkritiker:innen ist, sondern ein Festival für das Publikum. Und so soll es sein.

(Naima Wagner)

TAKANO TOFU (JP 2023. R: Mitsuhiro Mihara)

Im schönen Onomichi dreht sich bei Haru und ihrem Vater Tatsuo alles um Tofu: Gemeinsam betreiben sie einen kleinen Laden, in dem sie den besten in der ganzen Region herstellen. Bis auf ein paar Meinungsverschiedenheiten über die Herstellung und den Vertrieb scheint alles harmonisch, doch dann erfährt Tatsuo, dass er gesundheitlich angeschlagen ist. Kurzerhand beschließt der dogmatische Ladenbesitzer, einen Ehemann für seine Tochter zu finden. Gemeinsam mit ein paar Freunden schmiedet er einen Plan und lädt einige Bewerber ein, die von Tatsuo scharfsinnig begutachtet und aussortiert werden. Doch als der perfekte Mann gefunden ist, läuft alles anders als geplant und es kommt, wie es kommen muss: Tatsuo steht sich mit seiner eigenen Sturheit selbst im Weg und gerät in einen großen Streit mit Haru. Ein Perspektivenwechsel gelingt ihm erst mithilfe von Fumie, die er im Krankenhaus kennenlernt.

Takano Tofu hat beim italienischen „Far East Film Festival“ alle Herzen im Sturm erobert – vielleicht gerade weil Tatsuo mit seiner Art immer wieder an einen alten italienischen Macho erinnert. Zumindest war das mein erster Gedanke, als ich den Film sah: „Eigentlich sind die doch alle gleich, egal in welchem Land“. So erzählt der Film zunächst eine Geschichte, wie sie schon oft erzählt wurde: Ein sturer älterer Mann will seine Weltanschauung nicht ändern und meint, die Lebensentscheidungen seiner Tochter sollten besser von ihm getroffen werden. Doch mit ruhiger Entschlossenheit entfaltet der Film vielschichtige Ebenen und bietet mehr, als man ihm zunächst zutraut, lässt schmunzeln und trauern. Am Ende verlässt man das Kino mit einer Liebeserklärung an Familie, Freunde, das Leben und natürlich Tofu – den ich jetzt am liebsten selbst probieren würde.

(Siri Scholtes)

ICHIKO (JP 2023. R: Akihiro Toda)

Einen Tag nachdem ihr Freund Yoshinori ihr den vielleicht unromantischten Heiratsantrag überhaupt gemacht hat, verschwindet Ichiko spurlos. Als Yoshinori deshalb zur Polizei geht, gesteht ihm der Vermittler ein Problem: “the thing is, Ichiko Kawabe doesn’t exist.” Ichiko wurde innerhalb von 300 Tagen nach der Scheidung ihrer Mutter Natsumi von ihrem misshandelnden Ehemann geboren. Laut des japanischen Gesetzes macht das diesen zu Ichikos “offiziellem” Vater und somit Inhaber ihres Sorgerechts. Um ihn aus ihrem Leben fernzuhalten und das Sorgerecht behalten zu können, meldet Natsumi die Geburt ihrer Tochter nicht. Somit ist Ichiko bei den Behörden nicht registriert. Yoshinoris Suche nach der geheimnisvollen jungen Frau offenbart ein Netz von weiteren Geheimnissen und einer tragischen Vergangenheit.

Schon in der ersten Szene erscheint die Beziehung zwischen Ichiko und Yoshinori merkwürdig. Obwohl die beiden seit drei Jahren zusammen sind, scheinen sie persönliche Dinge, wie beispielsweise das Lieblingsessen des jeweils anderen aus der Kindheit, nicht zu kennen. Dieser Eindruck verstärkt sich, als Yoshinori eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgeben will: als er zu persönlichen Dingen aus Ichikos Leben befragt wird und diese nicht sicher beantworten kann, sagt er nur “we don’t talk about ourselves”.

Durch zahlreiche Rückblenden und Gespräche mit Freund:innen und Bekannten Ichikos wird ihre Vergangenheit Stück für Stück offenbart. Viele Vorahnungen bestätigen sich und verdeutlichen, weshalb Ichiko nicht in ihr Leben mit Yoshinori zurückkehren kann. Hana Sugisaki verkörpert mit ihrem wunderschönen Unschuldsgesicht die undurchschaubare Protagonistin, deren ganzes Leben zu einer Täuschung wird, perfekt.

(Eileen Nann, Redaktionspraktikantin)

PUSHPAUSE (JP 2023. R: Ryoma Kosasa)

Hirofumi, Utoka und Izumi betreiben gemeinsam das Coco Guesthouse in der Millionenstadt Tokyo. Ihr Hostel ist zwar klein und läuft im Sommer 2021 – die Zeit, zu der PUSHPAUSE spielt – aufgrund der Corona-Pandemie nicht besonders gut, doch die drei lassen es sich nicht nehmen, ihre Gäste auf eine sehr herzliche und persönliche Weise zu betreuen. Izumi, die Älteste von ihnen, nimmt nicht nur für ihre Kolleg:innen, sondern auch für einige der Reisenden eine Art Mutterrolle ein. Gerne teilt sie ihre Lebenserfahrung in Koch-Livestreams in sozialen Netzwerken oder in Gesprächen mit ihren Mitmenschen. Eine von ihnen ist, dass das Schicksal Menschen zusammenbringt, egal, wo man ist.

So auch im Debütfilm von Regisseur Ryoma Kosasa: Unaufgeregt, aber deswegen nicht weniger interessant, erzählt dieser episodenhaft die Geschichten mehrerer Reisender, die im Gästehaus unterkommen. Sie alle befinden sich an einem Scheidepunkt in ihrem Leben, haben eine größere Entscheidung zu treffen. Was PUSHPAUSE so besonders macht, sind jedoch nicht nur diese individuellen Geschichten von „kleinen Leuten“, sondern auch seine zeitliche Verortung. In diesem Moment, als Covid die ganze Welt lahmlegte, waren die viele Menschen dazu gezwungen, innezuhalten und eine Pause einzulegen. Ein Thema, das sich durch PUSHPAUSE zieht, ist somit die Bedeutung von Rast und Reflektion, bevor man sich ins nächste Abenteuer stürzt. Dabei ist der Film wahrscheinlich einer der ersten, der die Pandemie thematisiert, den man gerne schaut, da er das Publikum mit einem guten Gefühl im Kinosessel zurücklässt.

(Katharina Popp)