Erinnerung an Srebrenica – QUO VADIS, AIDA als filmisches Mahnmal

Von Emilia Sofie Bothe

Das Massaker von Srebrenica, eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren europäischen Geschichte, jährt sich heute zum 29. Mal. Beginnend mit dem 11. Juli 1995 wurden 8.372 bosnische Muslime (fast ausschließlich Jungen und Männer) über mehrere Tage durch Truppen der Republika Srpska unter der Führung von Ratko Mladić ermordet. Ein Datum, das erst seit kurzem als Gedenktag Anerkennung findet.  

Filme wie QUO VADIS, AIDA aus dem Jahr 2020 tragen zur Erinnerungskultur bei, indem sie historische Ereignisse lebendig und emotional greifbar machen und somit das kollektive Gedächtnis stärken. Der Film unter der Regie von Jasmila Žbanić erzählt die Geschichte der bosnischen Dolmetscherin Aida (Jasna Đuričić), die für die UN arbeitet, und während des Massakers versucht, ihre Familie zu retten. Durch ihre Augen erlebt das Publikum des Films die Verzweiflung, das Chaos und die Grausamkeit dieser schrecklichen Tage, während derer tausende Jungen und Männer zusammengetrieben und erschossen wurden.  

 

Die Kameraführung ist oft unruhig, mit vielen Nahaufnahmen; jedoch zeichnet sie sich vereinzelt auch durch statische, dabei eindringliche Einstellungen aus. Diese Technik verstärkt die beklemmende Atmosphäre und unterstützt die detailgetreue Inszenierung des Films. Die strenge, subjektive Perspektive gibt dem Publikum das Gefühl, selbst mitten im Geschehen zu sein. Ein zentrales, kontinuierlich wiederkehrendes Motiv des Films ist die Frage “Was passiert mit uns und wohin sollen wir gehen?”, eine direkte Referenz auf den Filmtitel. Dieses Leitmotiv zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Handlung und verstärkt die emotionale Tiefe des Films.  

Die schauspielerische Leistung von Jasna Đuričić in der Rolle der Aida ist herausragend und wurde mehrfach ausgezeichnet. Ihr nuanciertes Spiel zeigt eine Frau, die zwischen den professionellen Anforderungen, die die UN als ihr Arbeitgeber auch in dieser Situation an sie stellt und dem persönlichen Schmerz sowie der Sorge um ihre Angehörigen hin- und hergerissen ist, während sie mit unermüdlichem Kampfgeist versucht, ihre Familie zu retten. Der Plot des Films ist zwar nicht besonders komplex, da der Ablauf und Ausgang der Geschichte bereits bekannt sind, jedoch gewinnt der Film gerade durch diese Vorhersehbarkeit an Intensität, da er sich vollkommen auf die emotionalen und moralischen Konflikte seiner Figuren konzentriert. 

Der im Jahr 2021 Oscar®-nominierte Film wird in der Kritik als langersehnte filmische Aufarbeitung des Völkermords behandelt und schließt somit eine Lücke in der Erinnerungskultur. Es ist der erste Spielfilm, der sich sowohl thematisch als auch ästhetisch mit dem Genozid auseinandersetzt. Die audiovisuelle Gestaltung ist geprägt von einer düsteren und beängstigenden Atmosphäre. Anstatt offene Gewalt zu zeigen, konzentriert sich der Film auf die Vermittlung von Leid und Tod durch intime, persönliche Geschichten. Diese ästhetische Entscheidung schafft eine tiefere emotionale Verbindung zum Publikum, indem sie die menschlichen Tragödien und inneren Konflikte der Charaktere in den Vordergrund rückt.  

Die zurückhaltende, aber eindringliche Darstellung von Gewalt verstärkt die Wirkung der dargestellten Ereignisse und hebt den Film deutlich von herkömmlichen Kriegsfilmen ab. Mit ihrem Drama führt Žbanić uns nicht nur die menschlichen wie politischen Tragödien vor Augen, sondern mahnt auch aktives Erinnern und die Aufarbeitung im europäischen Kontext an; immer mit dem Ziel, Versöhnung und Frieden zu finden und künftige Generationen vor ähnlichen Gräueltaten zu bewahren. Derzeit wird diskutiert, ob und wie dieser Film auch in die Geschichtslehrpläne deutscher Schulen integriert werden kann. 

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