Filmblog // Jubiläumsfeier 75 Jahre DFF / 40 Jahre Deutsches Filmmuseum am 7. Juni 2024

Mit einer Jubiläumsfeier hat das DFF am 7. Juni 2024 mit geladenen Gästen 75 Jahre DFF und 40 Jahre Deutsches Filmmuseum gefeiert. Gastredner:innen waren neben Direktorin Ellen Harrington, Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig, Katrin Hoffmann (die an Ihren Vater und früheren Kulturdezernenten Frankfurts, Hilmar Hoffmann, erinnerte) und Professor Dr. Vinzenz Hediger.

Ellen Harrington Jubiläumsfeier 7 Juni 24

Rede von Direktorin Ellen Harrington – Festwochenende 7. bis 9. Juni 2024

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde des DFF,

als Claudia Dillmann Ende 2017 in den Ruhestand ging, wurde ich eingeladen, aus Los Angeles hierher zu kommen, um Direktorin dieser Institution zu werden. Viele Menschen in Frankfurt haben mich seitdem gefragt, warum ich L.A. verlassen habe, um hierher zu kommen. Aus den USA oder aus dem internationalen Netzwerk von Filmarchiven, Filmmuseen und Kulturerbe-Institutionen hat mich das seltsamerweise nie jemand gefragt. Stattdessen sagten sie: Natürlich bist du gekommen, natürlich ist das Deutsche Filminstitut & Filmmuseum nicht nur in der Rhein-Main-Region, in Deutschland oder gar Europa bekannt, sondern weltweit. Sein Beitrag zum internationalen Filmwissen, zur Archivierung, zu Ausstellungen und zur Bildung macht es zu einer der weltweit führenden Institutionen in unserem Sektor. Und das alles vom Schaumainkai aus (und natürlich von den weiteren Standorten in Frankfurt und Wiesbaden).

Beim LICHTSPIELPLATZ, unserer gerade zu Ende gegangenen Ausstellung für Drei- bis Achtjährige, haben wir gerade wieder neu erlebt, dass Kunst und Kultur sehr greifbar sein können, sehr sinnlich erlebbar. Dass Kunst und Kultur nichts Hochtrabendes sein müssen, kein bloß intellektuelles Vergnügen für studierte Geister, sondern auch schon von den Allerkleinsten mit Freude erfasst werden können. Im Sinne von Hilmar Hoffmans „Kultur für alle“ wollen wir ein Haus für alle sein, ein Museum, in dem sich klein und groß wohl fühlen und hier Inspiration finden – in unseren Ausstellungen, mit unseren digitalen Projekten, den Festivals und Filmvermittlungsangeboten.

Dass das DFF eine der ersten Anlaufstellen am Museumsufer ist, zeigt sich nicht nur bei der Nacht der Museen, wo sich auch dieses Jahr wieder die Menschen drängelten und die ganze Nacht in einer langen Schlange fast bis zum Café Wacker standen, um eingelassen zu werden. Insgesamt besuchten allein in dieser Nacht 8000 Menschen das Haus. Mit unseren 200.000 Besucher:innen im Jahr gehören wir neben Senckenberg, Städel und Schirn das ganze Jahr über zu den anziehungsreichsten Museen der Stadt.

Bedeutsame Akquisen von Sammlungen wie dem Schriftgutnachlass von Rainer Werner Fassbinder, der Sammlung von Werner Nekes (zusammen mit zwei anderen Institutionen) und der filmwissenschaftlichen Sammlung von Thomas Elsaesser, helfen mit, Frankfurt als Filmerbe-Stadt überregional leuchten zu lassen. Für die wissenschaftliche Vernetzung war neben der erfolgreichen Etablierung des in Deutschland einzigartigen Masterstudiengangs Filmkultur 2019 die Eröffnung unseres Archivzentrums in unmittelbarer Nähe zur Goethe-Universität und der Deutschen Nationalbibliothek, die unser Textarchiv beherbergt, ein wichtiger Schritt. Dort bewahren wir unsere umfangreichen Sammlungen auf: Die Vor- und Nachlässe zahlreicher Filmschaffender mit Drehbüchern, Original-Plakaten, Kostümen, Produktionsunterlagen und vielem mehr. Eine umfangreiche Sammlung von Kameras und Projektoren hüten wir in unserer Gerätesammlung in Frankfurt-Fechenheim. Für unsere Dauerausstellung nutzen wir viele dieser kostbaren Objekte oder wir verleihen sie an Ausstellungshäuser auf der ganzen Welt.

Zusammen mit der Stiftung Deutsche Kinemathek und dem Bundesarchiv erfüllt das DFF die Aufgabe einer nationalen Kinemathek. Unser für die Digitalisierung zuständiges Filmarchiv arbeitet seit Jahren an vorderster Front mit an der zentralen Aufgabe, deutsches Filmerbe für die Zukunft lebendig und zugänglich zu halten. filmportal.de ist DIE zentrale Online-Plattform zum deutschen Film und als Informationsquelle unverzichtbar. Mit seiner digitalen Kompetenz und Innovationsleistung gestaltet das DFF seit Jahren maßgeblich nationale und europäische  Kultur- und Wissenschaftsangebote mit, von der Deutschen Digitalen Biblithek über den European Film Gateway  bis zur Europeana.  Die Abteilung Filmvermittlung ist in Europa beispielgebend mit den von ihr ersonnenen und erprobten Modellprojekten. Große Ausstellungen wie die zu Fassbinder waren in der Bundeskunsthalle und im Gropiusbau zu sehen, die zu Kubrick tourt seit vielen Jahren um die Welt.

Zusammen mit unseren Förderern erkunden wir dabei ständig neue Wege, unsere Besucher:innen anzusprechen oder neue Zielgruppen zu aktivieren, ob beim Projekt 360°, das mehr Diversität in Kulturinstitutionen zum Ziel hat oder bei Konstellationen, an dem wir vier Jahre lang, zusammen mit dem Museum for Screen Culture ACMI in Melbourne gearbeitet haben: Ein zukunftsweisendes Projekt, das den Museumsbesuch in den digitalen Raum erweitert, das dazu einlädt, ausgehend von Exponaten in der Ausstellung anhand kuratierter Storylines weitere Objekte in unseren Archiven oder den Partnermuseen zu erkunden. Bei uns in der Ausstellung oder ganz bequem zu Hause auf der Couch.

Auf unseren Lorbeeren haben wir uns noch nie ausgeruht, wir erneuern uns stetig: Möglich ist das nur durch unsere Förderer, allen voran die Stadt Frankfurt, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Land Hessen und die Stadt Wiesbaden, die uns institutionell auf sichere Füße stellen. Doch unzählig viele Projekte und Ausstellungen wären nicht möglich ohne die Hilfe der Stiftungen und anderer Geldgeber, auf die wir bauen, zu denen wir langjährige vertrauensvolle Beziehungen aufgebaut haben.

Ihnen allen danke ich von Herzen für Ihre Unterstützung. Ich setze darauf, dass wir auch in Zukunft viele wunderbare neue gemeinsame Projekte umsetzen werden. Darauf freue ich mich!

Rede  von Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig – Festwochenende 7. bis 9. Juni 2024

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde des DFF,

ich gebe zu, die Geschichte wurde schon oft erzählt, und vermutlich wird meine Nachrednerin Katrin Hoffmann, das Thema auch noch mal tangieren. Aber wenn ich als Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt auf das Thema Museumsufer im Allgemeinen, auf das DFF im Speziellen zu sprechen komme, darf diese Anekdote einfach nicht fehlen: Die nämlich, vom frisch gekürten OB Walter Wallmann, der nach seiner Wahl 1977 den damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann gefragt haben soll: „Was wollen wir denn als erstes bauen?“ – „Ein Filmmuseum“, soll dieser, ohne nachzudenken, geantwortet haben.

Wie Sie wissen, wurde es sieben Jahre später eröffnet, hier am Schaumainkai 41.

Es mag damals viele Menschen in Frankfurt gegeben haben, die „Museum“ v.a. mit Bildender Kunst gleichsetzten. Das Städel war natürlich auch damals schon ein touristischer Magnet und ein zentraler Ankerpunkt für das Museumsufer. Aber ein Filmmuseum? Was sollte denn darin zu sehen sein? Filme? im Museum? Natürlich! Aber nicht nur das!

Selbstverständlich stand für Hilmar Hoffmann, der nicht erst seit seiner Zeit in Oberhausen den Film als siebte Kunst zu schätzen gelernt hatte, fest, dass das Kommunale Kino im neuen Filmmuseum endlich einen safe space finden würde: Klar war für ihn auch, dass die Filmkunst ein Haus verdient hatte, das sich wissenschaftlich und umfassend mit ihr beschäftigte. Ein Museum, das die Filmgeschichte in Ausstellungen vorstellt: Schauen über wichtige Regisseure, interessante Schauspieler:innen, zentrale Strömungen der Filmgeschichte. Ein Haus, das in seiner Dauerausstellung sinnlich nachvollziehbar macht, wie die Bilder über die Jahrhunderte, lange vor der Erfindung des Kinos, 1895, in Bewegung kamen.

Natürlich kam das Filmmuseum trotz vieler Zweifel schon 1984 gut an, bei den Frankfurter:innen. Unzählige erzählten noch Jahrzehnte später vom fliegenden Teppich, auf dem sie in der Bluescreen ihre Kreise über Frankfurt gezogen hatten oder von der Camera obscura, die schon damals – und jetzt wieder – Frankfurt live auf dem Kopf zeigt und so ein zentrales optisches Gesetz anschaulich macht.

Aber ob sich viele schon damals hätten ausmalen können, dass das Filmmuseum 2024 als eines der besucherstärksten und wichtigsten Häuser in Frankfurt dasteht, das jedes Jahr bei der Nacht der Museen und dem Museumsuferfest einer der ersten Anlaufpunkte für tausende Menschen ist? Das war vor 40 Jahren so vielleicht doch nicht abzusehen.

Das Filmmuseum ist eben kein Nischenmuseum geworden für eine Handvoll Filmbegeisterter, die sich über ein Haus freuen, das sich ihrer Leidenschaft widmet, sondern ein Haus, das mit seinen Angeboten und Ausstellungen das breite Publikum aller Generationen anspricht und auch erreicht: Besonders aktiv richtet sich das DFF mit Angeboten wie dem MiniFilmclub, der eben zu Ende gegangenen Ausstellung LICHTSPIELPLATZ, mit LUCAS,  dem Festival für junge Filmfans oder den SchulKinowochen vor allem auch an ein jüngeres Publikum, um jeder neuen Generation die Liebe zum Film zu vermitteln.

Hier kann das Publikum jedes Jahr Filmschaffende aus der ganzen Welt treffen, und ihnen bei Filmgesprächen zu ihren vorgestellten Filmen zuhören. Gerade war der große Mario Adorf da, am Sonntag kommt Corinna Harfouch, vor vier Wochen schaute Margarethe von Trotta herein. Sie gesellen sich zu den großen Namen, die sich im Kino des DFF die Tür in die Hand gaben: von Isabelle Huppert über Geraldine Chaplin und Hanna Schygulla bis zu Liv Ullmann, von Michael Haneke über Fatih Akin, Doris Dörrie und Lav Diaz bis zu Wim Wenders. Sie alle waren schon hier und knüpfen an, an die Gründungsjahre des DFF, als Alfred Hitchcock Frankfurt besuchte, Federico Fellini, Eric Rohmer, Giulietta Massina, Anthony Quinn, … um nur einige zu nennen.

Menschen mit familiären Wurzeln in anderen Ländern finden im Kino Filme aus der Heimat ihrer Familien, sehen bei Southern Lights, was sich in der Filmszene des globalen Südens tut oder knüpfen bei Projekten der Filmvermittlung an.

Wer sich für Kultur interessiert, kommt am DFF nicht vorbei, selbst wenn er oder sie kein großes Vorwissen zum Film mitbringt: Allein in den vergangenen Jahren konnten Besucher:innen der Ausstellungen in einer Rundumprojektion ganz sinnlich eintauchen in Filme unter Wasser, emotional erleben, welche Bedeutung die Farbe „Rot“ im Film hat oder sich in die Klangwelt der Disney-Klassiker versenken. Sie konnten aber auch etwas lernen, sich Wissen aneignen: über die Rolle der Frauen in der Filmproduktion der Weimarer Republik, über die Verbindungen zwischen dem Werk Rainer Werner Fassbinders und der zeitgenössischen Videokunst oder alles über Stanley Kubricks zentrales Werk 2001 – A Space Odyssey.

Im Filmstudio kann man immer noch jedes Wochenende auf dem fliegenden Teppich über Frankfurt gondeln oder neben Harry Potter auf dem Besen reiten. In der Dauerausstellung mit der ganzen Familie an zahlreichen interaktiven Stationen lernen und ausprobieren, wie Schnitt und Montage funktionieren, welche Wirkung Filmmusik hat, wie die Menschen früherer Jahrhunderte Bilder in Bewegung brachten. Das wissen die Menschen in Frankfurt und Umgebung, das schätzen auch viele Urlauber und Touristen, die Tag für Tag – auch bei strahlendem Sonnenschein ins DFF strömen, um hier Spaß zu haben, sich inspirieren zu lassen oder etwas zu lernen – am besten alles auf einmal.

Das Filmmuseum, bei seiner Gründung kritisch beäugt, ist längst zu einer festen Größe in Frankfurt und weit darüber hinaus geworden. Seit der Fusion mit dem Deutschen Filminstitut, der ältesten filmwissenschaftlichen Einrichtung der Bundesrepublik, im Jahr 2006, strahlt dieses Haus noch heller von Frankfurt, Hessen und Deutschland hinaus in die Welt: Das heutige DFF ist eine international beachtete Institution von gesamtstaatlicher Bedeutung für die Bewahrung, Erforschung und Vermittlung von Filmerbe und Filmkultur.  Hier am Schaumainkai finden akademische Arbeit und Bildung, gesellschaftliche Teilhabe am Leitmedium Film sowie dessen unmittelbare, sinnlich-ästhetische Erfahrung in einer vielfältigen Schule des Sehens und Verstehens und an einem einzigartigen Ort zusammen. Frankfurt ohne DFF, das ist heute nicht mehr denkbar.

40 Jahre Deutsches Filmmuseum, 75 Jahre DFF – wahrlich eine Erfolgsgeschichte. Ich gratuliere!

Rede von Katrin Hoffmann – Festwochenende 7. bis 9. Juni 2024

Liebe Ellen Harrington, liebe Freunde und Freundinnen des Filmmuseums,

meinem Vater war der Film die wichtigste Kunst. Er ging auch gerne ins Theater, liebte die Oper, aber das bewegte Bild stand für ihn immer an erster Stelle. Schon in jungen Jahren, mit gerade einmal 29, gründete er die internationalen Kurzfilmtage in Oberhausen, die in diesem Jahr ihr 70. Jubiläum feierten. Er war Filmkritiker und hat für seine Bücher über den NS Film viel Zeit im Schneideraum verbracht. 1969 hat er sogar einmal einen einstündigen Film für den Nord Deutschen Rundfunk gedreht – über die Kubanische Wochenschau. So war es nur folgerichtig, dass mein Vater, als er 1970 als Kulturdezernent nach Frankfurt kam, eine seiner dringendsten Taten die Gründung des Kommunalen Kinos war. Dessen Leitung übernahm bald Walter Schobert. Aber das KoKi – wie es damals liebevoll genannt wurde – brauchte natürlich einen größeren Rahmen und sollte raus aus dem damaligen Historischen Museums. Am besten man baut gleich ein ganzes Haus drum herum – ein Filmmuseum!
Von der Vision zur Umsetzung vergingen dann doch noch etliche Jahre.
Ich erinnere mich noch sehr genau an den Abend der Kommunalwahl im Frühjahr 1977, als überraschend die CDU gewann. Die ganze Familie saß vor dem Fernseher und fiel in Schockstarre, da nun klar zu sein schien, dass der SPD Kulturdezernent nicht mehr seines Amtes walten konnte. Und wir quasi mit ihm womöglich heimatlos werden würden. Aber – Frau Hartwig hat es bereits erwähnt – es kam anders und mit Walter Wallmann ein Oberbürgermeister ins Amt, der über die Parteigrenzen hinweg die Kultur des sozialdemokratischen Dezernenten unterstützte. Dass mein Vater in der eigenen Fraktion dafür angegriffen wurde, steht auf einem anderen Blatt – das hielt er aus.
Ich begleitete ihn so manches Mal zur Baustelle des Museums. Da war er so oft, als ginge es um unser Wohnzimmer, das umgebaut wurde. Für Walter Schobert und die Bauleitung sicherlich nicht ganz einfach, könnte ich mir vorstellen. Dem Filmmuseum sollten sich noch weitere wichtige Museen anschließen und zum heutigen Museumsufer anwachsen. Ein Projekt, das seine gesamte Amtszeit bestimme und ihn mit großem Stolz erfüllte. Aber das Filmmuseum war und blieb immer sein Lieblingsmuseum.
Nachdem er 1990 sein Amt nach 20 Jahren niedergelegt hatte, gab es drei Jahre später einen Eklat mit seiner Nachfolgerin. Linda Reisch wollte kein Jahrzehnt nach Eröffnung des Filmmuseums dessen Kernstück eliminieren und das KoKi schließen! Mein Vater hatte bis dahin nie die Angelegenheiten der Kulturdezernentin kommentiet, aber das ging ja nun doch zu weit! Kurzerhand wurde ein breites Solidaritätsbündnis gegründet und das Kino gerettet!

Es war vereinbart, dass nach seinem Tod seine umfangreiche Filmliteratur, sein gesamtes Archiv – auch das der Kurzfilmtage – an das Filmmuseum gehen sollten. Dies zu organisieren war meine Aufgabe, die er in seinen letzten Jahren immer wieder mit mir durch sprach, denn es war ihm ein großes Herzensanliegen. Hier in seinem Filmmuseum ist nun sein Nachlass gelagert und gut behütet.
Und immer wenn ich wieder einmal zuhause war, hat mein Vater mich irgendwann gefragt: Warst du denn schon im Filmmuseum? Das hätte er sicher auch heute gefragt, kann er ja nun leider nicht mehr – Aber ich bin trotzdem da.

Danke!

Rede von Prof. Dr. Vinzenz Hediger  – Festwochenende 7. bis 9. Juni 2024

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mir eine besondere Ehre als Filmwissenschaftler und Professor an der Frankfurter Universität an diesem Ort und aus diesem Anlass, dem 40. Jubiläum des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, sprechen zu dürfen. Filmwissenschaft ist immer noch ein junges Fach mit einer knapp fünfzigjährigen Fachgeschichte, und Frankfurt nimmt in dieser Fachgeschichte einen besonderen Platz ein. Hier liegen die Anfänge des Fachs in Deutschland, hier ist die Filmwissenschaft in den frühen 1970ern aus der Kritischen Theorie heraus entstanden. Was Frankfurt für mich attraktiv gemacht hat, als ich vor nunmehr zwölf Jahren von Bochum an den Main gewechselt bin, war aber nicht nur die reiche Tradition des kritischen Denkens, aus denen gerade auch die Filmwissenschaft hier schöpfen kann. Was Frankfurt attraktiv gemacht hat, war auch die Möglichkeit der Kooperation zwischen Universität und DFF. Just in dem Moment, in dem hier in Frankfurt die Filmwissenschaft Fuß zu fassen begann, entwickelten sich auch die Umrisse einer visionären Kulturpolitik in dieser Stadt, und deren Ursprünge liegen zufälligerweise in meiner früheren Wahlheimat, dem Ruhrgebiet. Hilmar Hoffmann hatte, wie wir schon gehört haben, die Oberhausener Filmtage ins Leben gerufen. Er war aber auch der erste Dozent für Filmwissenschaft an der 1966 neu gegründeten Ruhr-Universität und legte damit die Grundlage für den Aufbau eines der ersten Institute für unser Fach. Hier in Frankfurt legte er mit dem Filmmuseum die Grundlage für das DFF, das nun als Institution der Filmkultur mit einer internationalen Strahlkraft dasteht.

Für uns an der Universität ist das DFF ein Partner von unschätzbarer Bedeutung. Die Universität hat ja zwei gesetzlich festgeschriebene Aufträge, Lehre und Forschung. Immer mehr aber sind wir an der Universität auch aufgefordert, unsere Forschung in die Stadt und in die Gesellschaft hinaus zu tragen. „Transfer“ ist der Name dieser dritten Säule unserer Arbeit, die noch keine gesetzliche Grundlage hat, aber einem dringenden gesellschaftlichen Auftrag entspricht.

Wer nun aber glauben würde, dass das DFF in erster Linie unser Partner in Sachen Transfer ist, würde sich täuschen.

Tatsächlich umfasst unsere Kooperation alle drei Bereiche.

Da ist zunächst die Lehre. Kurz nach meiner Ankunft in Frankfurt hatte ich ein erstes Gespräch mit der damaligen Direktorin des DFF, Claudia Dillmann. Wir waren uns über vieles schnell einig, vor allem aber darüber, dass die Filmerbe-Institutionen und Filmkultur-Institutionen in Deutschland und darüber hinaus einen dringenden Bedarf nach wissenschaftlichem Personal für ihre Arbeitsfelder hat. Um diesen Bedarf nach wissenschaftlichem Personal für filmkulturelle Institutionen zu decken, so waren wir uns auch einig, brauchte es einen anwendungsorientierten Masterstudiengang. Es war einer dieser Momente, in dem wichtige Dinge aus schierer Dringlichkeit auf einer Serviette aufgeschrieben und danach umgesetzt werden. In weniger als einem halben Nachmittag hatten wir uns über den Grundriss einer Studienordnung verständigt, und weil Claudia Dillmann zum damaligen Präsidenten Werner Müller-Esterl einen direkten Draht hatte, wurde der Studiengang auch gleich ins aktuelle Akkreditierungspaket eingeschnürt.

Seit 2013 gibt es den Masterstudiengang Filmkultur nun schon, und unsere Absolvent:innen sind fast ausnahmslos in dem angezielten Berufsfeld tätig. Mehr noch: Seit 2019 gibt es diesen Studiengang auch in Nigeria, dort angesiedelt am nationalen Filmarchiv in Jos, realisiert im Rahmen eines Kooperationsprojekts zwischen Frankfurt – dem DFF und der Universität – und der Nigerian Film Corporation und der University of Jos, ein Projekt, das vom DAAD finanziert war, und das ich gemeinsam mit Ellen Harrington anstoßen und aufbauen konnte.

Aber auch in der Forschung erschließen wir laufend neue Stoffgebiete. Zuletzt haben wir gemeinsam ein EU-Projekt über Kriegszerstörung und Wiederaufbau in europäischer Perspektive realisiert, gemeinsam mit Partnern in der Tschechischen Republik, Frankreich und Italien. Das wichtigste Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist eine virtuelle Ausstellung, ein online begehbarer Raum mit vielen Informationen und Filmbeispielen – ein Projekt, das wir unter anderem nur deshalb finanziert bekommen haben, weil wir mit dem DFF die führende Institution in Europa für Online-Portale für Filmkultur als Partner vorweisen konnten.

Und mittlerweile ist das DFF aufgrund seiner internationalen Strahlkraft zum eigentlichen Magnet für wissenschaftliche Sammlungen geworden. Mit dem Nachlass von Rainer Werner Fassbinder positioniert sich das DFF als führender Standort zur Erforschung nicht nur des deutschen Kinos. Die Magnetwirkung des DFF zeigt sich aber auch bei der Fachgeschichte der Filmwissenschaft, in der Frankfurt seit den Anfängen wie eingangs erwähnt eine zentrale Rolle spielt. So konnte das DFF vor kurzem den wissenschaftlichen Nachlass von Thomas Elsaesser übernehmen, einem der bedeutendsten internationalen Filmwissenschaftler, dessen Großvater Martin Elsaesser als Architekt das neue Frankfurt der 1920er Jahre mit geprägt hatte. Neu hinzugekommen ist mittlerweile auch der Vorlass von Heide Schlüpmann, meiner Vorgängerin auf der Professur für Filmwissenschaft und einer international hoch angesehen Pionierin einer feministischen Geschichtsschreibung des frühen Kinos. Weitere Bestände zur Fachgeschichte werden hoffentlich bald folgen.

Und natürlich Transfer: Seit 2012 realisieren wir gemeinsam die Reihe „Lecture & Film“, in der wir uns jeweils für zwei Semester mit dem Werk einer bedeutenden Regisseur:in befassen und dafür die wichtigsten Spezialist:innen für einen Vortrag und eine Filmvorführung nach Frankfurt holen können. Hier profitieren wir von der großzügigen Unterstützung durch den Adickes-Fonds und die langjährige und enge Kooperation mit dem Forschungszentrum Normative Ordnungen der Goethe Universität und aktuell auch mit dem Exzellenzprojekt ConTrust.

Ein Vorwurf ist mir in meiner Frankfurter Zeit bislang gänzlich erspart geblieben: Dass wir uns mit der Filmwissenschaft in den berühmten Elfenbeinturm zurück ziehen würden (auch wenn der IG-Farben-Turm dafür durchaus die erforderlichen architektonischen Voraussetzungen bieten würde). Dass uns dieser Vorwurf erspart geblieben ist, liegt vor allem daran, dass wir das DFF als Partner haben und unserer Wissenschaft mit dem DFF nicht nur in die Stadt tragen, sondern mitten in der Stadt betreiben können.

Dem DFF in diesem Sinne alles Gute zum Jubiläum – auf weitere Dekaden der erfolgreichen Zusammenarbeit!